Was wissen Sie über die Reinraumtechnik?

Noch nicht so viel? Keine Sorge, Joachim Ludwig, item pluspartner Reinraumexperte und COLANDIS Geschäftsführer, klärt Sie auf!

Ralf Eickhorn
Sie sind Geschäftsführer der COLANDIS GmbH mit Sitz in Thüringen und zudem Dozent an der Westsächsischen Fachhochschule Zwickau. Sie können also mit Fug und Recht behaupten, Experte im Gebiet der Reinraumtechnik zu sein. Wieso haben Sie gerade diese Laufbahn eingeschlagen?

Joachim Ludwig
Das war eigentlich eher dem Zufall geschuldet. Nach meinem Studium der Technologie des wissenschaftlichen Gerätebaus 1988 fing ich bei Carl Zeiss in Jena an zu arbeiten. Dort schlug man mir drei verschiedene Tätigkeitsbereiche vor. Darunter war auch die Reinraumtechnik. Ich wusste zwar nicht genau was das war, habe mich aber dafür entschieden.

Über Joachim Ludwig und COLANDIS

Ralf Eickhorn
Sie stellen ja bei vielen – auch internationalen – Messen aus. Wenn Sie einen Interessenten mit wenig Vorwissen an Ihrem Messestand haben, wie erklären Sie ihm das komplexe Thema Reinraumtechnik in wenigen Worten?

Joachim Ludwig
Oh, die wenigen Worte sind eine Herausforderung! Meistens gehe ich dann schrittweise vor: Es geht nicht um Staub, den man sehen kann. Die Partikel sind unvorstellbar klein und können doch riesigen Schaden anrichten (z. B. wird derzeit in der Halbleiterindustrie an der Realisierung von Strukturbreiten von 3 µm gearbeitet. Dies sind 15 Atome nebeneinander). Das heißt, dass die Reinraumtechnik sich auch um diese extrem kleinen Partikel kümmern muss. In der Medizin und Pharmazie geht es um Viren, Bakterien und Pilzsporen, die schwerste gesundheitliche Probleme erzeugen können. Diese vom Patienten fernzuhalten, ist u. a. auch die Aufgabe der Reinraumtechnik.

Ralf Eickhorn
Was sind die Herausforderungen bei einer Fertigung unter Reinraumbedingungen? Reinraumtechnik-Produktionen?

Joachim Ludwig
Die Herausforderungen bestehen darin, dass es keine Standardlösungen für die unterschiedlichen Anforderungen verschiedener Projekte gibt. Jede Fragestellung, jedes Projekt, jede reinheitstechnische Anforderung ist anders. Dies gilt es zu erkennen, sodass die reinheitstechnische Lösung optimal auf die reinzuhaltenden Prozesse abgestimmt ist.

Ralf Eickhorn
Für welche Bereiche bzw. in welchen Branchen spielt die Reinraumtechnik eine Rolle?

Joachim Ludwig
Man kann keine Branche ausschließen, auch wenn es manchmal nicht nachvollziehbar ist. So führen z. B. auch Zementwerke und Stahlerzeuger in ihren Laboren Materialanalysen unter definierten Bedingungen durch, die durch den Einsatz der Reinraumtechnik realisiert werden. Oft sind es immer nur einzelne Bereiche in den Unternehmen, die solche Umgebungsbedingungen benötigen.

Ralf Eickhorn
Wie groß können Staub-Partikel denn sein? Gibt es plakative Vergleiche aus dem Alltag?

Joachim Ludwig
In der Reinraumtechnik geht es nicht mehr um die „Stäube“, die man sehen kann. Es geht letztendlich um eine Einzelpartikelzählung im Größenbereich von 0,1 µm bis 5 µm (siehe ISO14644-1) und zukünftig wird dies auch auf den Nanometerbereich erweitert werden. Die derzeit höchste Reinheitsklasse der Luft, die ISO1, wird bei einer Partikelgröße von 0,1 µm auf ein Messvolumen von 1 m³ qualifiziert. Ließe ich jetzt diese Partikel wachsen, bis sie einem Würfel von 1 m³ entsprechen und lasse ich das Messvolumen im selben Verhältnis wachsen, dann wären dies nicht mehr als 10 dieser Würfel auf das Erdvolumen. Und die gilt es zu finden.

Ralf Eickhorn
Kennen Sie einen Fall bzw. ein Projekt, bei dem man durch die richtige Wahl der reinheitstechnischen Lösung viel Zeit, viel Geld und viele Nerven gespart hat?

Joachim Ludwig
Ein Automobilzulieferer fragte einen Reinraum mit mehreren hundert Quadratmetern Grundfläche und einer Klassifizierung nach ISO 7 an. Klimaparameter spielten in diesem Fall keine Rolle. Eine erste Kostenschätzung ergab eine Angebotssumme von ca. € 450.000. Nach dem Besuch bei diesem potentiellen Kunden stellte der Vertriebsmitarbeiter fest, dass die im Reinraum aufzustellende Fertigungsanlage bestens für eine Minienvironment-Lösung geeignet wäre, zu der nur noch die notwendigen Filter-Fan-Module (FFU) fehlten. Das Ergebnis war, dass dieser Automobilzulieferer am Ende nicht in einen kompletten Reinraum investieren musste, sondern eine intelligente Aufrüstung seiner Fertigungsanlage ausreichte. Projektvolumen: € 35.000!

item Industrietechnik und Reinraumtechnik

Ralf Eickhorn
Was bietet die item Industrietechnik GmbH für die Reinraumtechnikbranche?

Joachim Ludwig
Neben den Produkten von item, die wir auf deren Reinheitstauglichkeit untersucht haben, hat sich bei item das Verständnis für die Reinraumtechnik weiterentwickelt. Über ein breitgefächertes Sortiment möchte item dem Kunden wirklich Lösungen anbieten, über die Komponente bis hin zur Kundenlösung über uns als Experten.

Ralf Eickhorn
Was bedeutet Ihnen die item pluspartnerschaft? Welche Vorteile hatten Sie schon und haben Sie?

Joachim Ludwig
Als item pluspartner wird nicht nur der Kontakt zu item vertieft, sondern auch der Kontakt zu den anderen item pluspartnern. Dadurch dass man sich kennt, kann man kooperieren und seinen Kunden ein breiteres und qualifizierteres Angebot unterbreiten. Zusätzlich wird durch die pluspartnerschaft jeder Partner auch für den Außendienst von item mehr und mehr interessant. Gemeinsam mit dem jeweiligen item pluspartner lässt sich auch auf dieser Basis Kompetenz und Vertrauen beim Endkunden erzeugen.

Ralf Eickhorn
Wie sieht ein typischer Arbeitstag in einer „reinen“ Umgebung aus? Angefangen beim Betreten des Firmengebäudes (in Straßenkleidung) über die Mittagspause (inkl. Zigarettenpause?) bis hin zum Feierabend?

Joachim Ludwig
Die möglichen Anwendungen der Reinraumtechnik sind sehr vielfältig. So unterscheiden sich auch die Tagesläufe in den einzelnen Branchen unter Umständen sehr stark voneinander. Es gibt verschiedene Ordnungen für den Raumzutritt, unterschiedliche Bekleidungskonzepte und das in der Reinraumtechnik so verschriene Rauchen wird auch völlig unterschiedlich bewertet.

Ralf Eickhorn
Was war ihr bisher spannendstes Projekt, das Sie begleitet haben?

Joachim Ludwig
Für uns gibt es nur spannende Projekte. Jedes Projekt ist anders und die Anforderungen sind so unterschiedlich, dass man immer wieder von vorne beginnt und unterschiedliche Aufgaben hat. Eines unserer interessantesten Projekte war ein Mini-Environment für einen Inspektionsprozess mittels Röntgenstrahlung. Dort haben wir neben dem Grundgestell aus item Profilen mit unterschiedlichsten Funktionselementen auch Edelstahl und Blei verbaut, um die Umgebung vor der ionisierenden Strahlung zu schützen.

Ralf Eickhorn
Sie sind auch als Dozent an der Westsächsischen Fachhochschule in Zwickau tätig. Was geben Sie Ihren Studenten für eine erfolgreiche Zukunft in der Reinraumtechnikbranche mit auf den Weg?

Joachim Ludwig
Erstmal muss ich sagen, dass mir die Arbeit mit den Studenten sehr viel Spaß macht. Sicherlich kann man in 15 Lehrstunden à 45 Minuten nicht die Reinraumtechnik in all ihren Nuancen vermitteln. Doch ich bin mir sicher, dass die Studenten auf Fragestellungen zur Reinraumtechnik in ihrem späteren Berufsleben die richtige Herangehensweise anwenden werden, d. h. nicht pauschal den Reinraum als das non plus Ultra ansehen und auch einmal unkonventionelle Wege gehen. Aber gerade denen, die nicht in die Reinraumtechnikbranche wollen, möchte ich meine persönlichen Erfahrungen mit auf den Weg geben. Zum Abschluss bekommt jeder Student eine Teilnahmeurkunde, die sich in deren späteren Bewerbungen sicherlich positiv auswirken wird.

Ralf Eickhorn
Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Reinraumtechnik?

Joachim Ludwig
Eigentlich habe ich nur einen Wunsch. Ich möchte, dass der Reinraum nur als letztes Mittel angesehen wird, da man sehr oft mit weitaus einfacheren Lösungen bessere Ergebnisse erzielen kann. Nichtdestotrotz kann natürlich auch der Reinraum die beste Wahl sein. Um dies herauszufinden, sollten sich die Anbieter von Reinraumtechnik mehr mit den Prozessen ihrer Kunden beschäftigen, als mit dem Verkauf von möglichst vielen Kubikmetern Reinraum und reiner Luft.

Ralf Eickhorn
Herzlichen Dank, dass sich die Zeit für dieses spannende Interview genommen haben.

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